Betriebliche
Defizite bei der damaligen Crossair haben neben den schwersten Pilotenfehlern
zum Absturz eines Jumbolino vor gut zwei Jahren am Zürcher Flughafen
beigetragen. Aber auch das Bazl und die Flugsicherung stehen in der
Kritik.
Direkte (kausale) Ursache für den Crossair-Absturz
vom 24. November 2001 bei Bassersdorf war, wie am Wochenende bekannt
wurde, ein bewusstes Abweichen der Piloten vom vorgegebenen Anflugprozedere.
Bei dem Unglück starben 24 Menschen, 9 überlebten.
Wie aus dem heute offiziell in Zürich präsentierten Bericht
des Büros
für Flugunfalluntersuchung (BFU) hervorgeht,
hatte aber auch das Controlling der 2002 in die neue Swiss integrierten
Crossair versagt.
Laut BFU-Ermittler hatten die Crossair-Verantwortlichen «fliegerische
Defizite» des 57-jährigen Kommandanten nicht erkannt. Entsprechend
wurden bei der Ausbildung keine Massnahmen ergriffen.
Kritisiert wird auch das damalige Auswahlverfahren für Co-Piloten,
das nicht dem internationalen Standard entsprach. Der 25-jährige
Co-Pilot hatte nichts unternommen, um die Fehler des Kommandanten zu
verhindern.
Der Bericht übt gar Fundamentalkritik an der Fluggesellschaft.
Der Unfallflug sei kein Einzelfall gewesen, bei dem Verfahrensvorgaben
nicht befolgt wurden. Mindestens 40 entsprechende Fälle seien bekannt.
«Im Bestreben, kostenbewusst zu operieren (...) wurden Vorgaben
grosszügig ausgelegt», heisst es im Bericht, und nicht bei
allen Flugbesatzungen sei das «erforderliche Sicherheitsbewusstsein»
erzeugt worden. Für ein Unternehmen mit 80 Flugzeugen sei die Flugsicherheitsabteilung
«bescheiden» ausgerüstet gewesen.
Kritisiert wird im Bericht auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt
(Bazl). Die Wirksamkeit der Pilotenausbildung bei der Crossair sei nicht
überwacht worden. Und der Flugbetrieb sei nie integral überprüft
worden. Auch der Crossair-Absturz von Nassenwil im Jahr 2000 habe daran
nichts geändert.
Vertreter des Uvek und des Bazl haben inzwischen reagiert, aber nur
sparsam klare Aussagen gemacht. Dennoch: Gewisse Verbesserungen wurden
schon realisiert, andere ins Auge gefasst.
Ob das Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL)
aus Spargründen zu wenig Personal hat oder je hatte und damit die
Sicherheit gefährdet war, blieb an der Medienkonferenz ungeklärt.
Der Bericht des Büros
für Flugunfalluntersuchung (BFU) hält fest,
wegen Personalmangels habe sich die Aufsichtsbehörde mit der Kontrolle
der Papiere zufriedengegeben und nicht konkret Maschine und Besatzung
überprüft.
Inzwischen hat das zuständige Departement, das Uvek, einen Kredit
von gut einer Million Franken bewilligt, um eine intensivere Beaufsichtigung
der Swiss zu ermöglichen. Zudem ist ein Personal-Aufstockungsantrag
des Bazl hängig.
Der Entscheid darüber liegt beim Bundesrat. Uvek-Sprecher Hugo
Schittenhelm ist optimistisch: Es gelte das Prinzip «Safety first».
Wenn es im übrigen um Sicherheit gehe, sei das Bazl stets mit den
verlangten Ressourcen ausgestattet worden, versicherte er.
Weshalb das spezielle Alarmsystem für Unterschreitungen der minimalen
Flughöhe (MSAW) nach dem Alitalia-Unfall im Dezember 1990 zwar
auf den Pisten 14 und 16 (für Anflüge aus Norden und Nordwesten),
nicht aber auf der Ost-West-Piste 28 installiert wurde, erklärte
Bazl-Sprecher Daniel Göring mit besonderen technischen Anforderungen.
Nach dem Crossair-Absturz wurde es nun installiert - auf Piste 28 und
auf Piste 34, auf welche die Südanflüge erfolgen. Zusammen
mit anderen Installationen erhöht es die Sicherheit bei der Flugüberwachung.
Die bessere Ausrüstung der Pisten mit solchen Installationen ist
eine der Empfehlungen, die das Bfu aufgrund der Untersuchung des Crossair-Unfalls
bei Bassersorf abgegeben hatte. Auch andere wurden umgesetzt. Dies war
laut Göring so rasch möglich, weil das Bfu schon nach einem
halben Jahr erste Ergebnisse unterbreitete.
Unter anderem wurde der Mindestwert für die horizontale Sicht auf
4000 Meter verdoppelt. Die Wolken dürfen noch bis 1200 Fuss über
Boden hängen. Die Flugsicherung skyguide wurde angewiesen, ein
Warnsystem für zu tief anfliegende Maschinen einzurichten.
Nachdem der menschliche Faktor beim Absturz eine zentrale Rolle spielte,
gab das Bfu auch diesbezüglich mehrere Empfehlungen ab. Bei der
Aufsicht der Swiss werde diesen nun Rechnung getragen, sagte Göring
- unter anderem mit der Überprüfung von Ausbildungsgängen.
Auch die Studie des niederländischen NLR-Instituts über die
Sicherheit im Schweizer Luftverkehr setzte einiges in Bewegung. So setzte
das Uvek etwa einen speziellen Beauftragten für die Luftfahrt-Sicherheit
ein.
Andrea Muggli, der diese Funktion innehat, will vorab Instrumente schaffen,
welche einerseits langfristige Planungen unterstützten, anderseits
aber auch ein rasches Reagieren auf akute Mängel und Empfehlungen
erlauben. Die personelle Aufstockung beim BAZL gehört laut Muggli
ebenso zu diesen «Gesamtanstrengungen» wie künftige
intensivere Sicherheitsüberprüfungen. (ben/sda)
Absturz
in Bassersdorf: Pilotenfehler
Die Fluggesellschaft Swiss hat einen Pilotenfehler beim Absturz eines
Jumbolinos der Crossair bei Bassersdorf (ZH) von 2001 bestätigt.
Warum das Sicherheitsnetz nicht funktioniert habe, bleibe offen. Sollte
die Bundesanwaltschaft ein Verfahren eröffnen, sei Swiss an einer
raschen Aufklärung interessiert, hiess es.
Die Fluggesellschaft
Swiss hat am Dienstagmorgen in einer Mitteilung Stellung genommen zum
Bericht des Büros
für Flugunfalluntersuchung (BFU)
über den Absturz einer Crossair-Maschine bei Bassersdorf (ZH) vom
24. November 2001, bei dem 24 Menschen getötet wurden. Demnach
hat der Kommandant der Maschine die Mindestflughöhe unterschritten.
Warum das Sicherheitsnetz innerhalb und ausserhalb des Flugzeuges nicht
funktioniert habe, bleibe im Untersuchungsbericht unbeantwortet, schreibt
Swiss. Der sehr erfahrene Kapitän habe über alle nötigen
Qualifikationen verfügt, um diesen Flug durchzuführen. Er
sei zudem Experte und Ausbildner für Instrumentenflug des Bundesamtes
für Zivilluftfahrt (BAZL) gewesen.
Sowohl Crossair
wie Swiss hätten jederzeit die internationalen und nationalen Anforderungen
bezüglich Flugsicherheit erfüllt, heisst es weiter. Die Sicherheitsempfehlungen
seien bereits kurze Zeit nach dem Absturz umgesetzt worden. Die endgültigen
Erkenntnisse über den exakten Ablauf und die Ursachen des Absturzes
verlangten gemäss BFU-Bericht keine weiteren Massnahmen. Als weiterführende
Massnahmen habe Swiss ein komplett neu überarbeitetes Flight Safety
Programm eingeführt, das sowohl die Rekrutierungs-, Ausbildungs-
und Überprüfungsprogramme der Besatzungen wie auch die Abläufe
der gesamten Operation betreffe. Als zusätzliche Sicherheitsmassnahme
sei ein sonst in der Branche nicht übliches Flight Safety Advisory
Board eingesetzt worden.
In der Mitteilung
geht Swiss auch auf die juristischen Folgen des Flugzeugabsturzes ein.
Sie bestätigt, dass der Flugunfalluntersuchungsbericht bei der
Bundesanwaltschaft liegt. Swiss sei an einer lückenlosen Aufklärung
interessiert, heisst es dazu.
Mit den Angehörigen
von 18 Passagieren habe die Fluggesellschaft inzwischen eine Einigung
erzielt, beziehungsweise die Angehörigen hätten innert der
gesetzlichen Frist keine weiteren Ansprüche über die bereits
geleistete Auszahlung gestellt. Eine weitere Vereinbarung stehe kurz
vor dem Abschluss. Swiss sei zudem darüber informiert, dass Angehörige
von zehn Passagieren Klagen beziehungsweise ein Verfahren zur Wahrung
ihrer Interessen eingeleitet hätten. Diese Verfahren seien in der
Schweiz, in Deutschland und in Israel eingeleitet worden. Den Angehörigen
der tödlich verunfallten und der schwer verletzten Passagiere sei
kurz nach dem Unfall eine Vorauszahlung von knapp 210.000 Franken offeriert
und ausgezahlt worden. In den übrigen Fällen habe die Vorauszahlung
30.000 Franken betragen.
Unfallbericht
Bassersdorf: BAZL hat Sicherheitsempfehlungen umgesetzt
Das Bundesamtes
für Zivilluftfahrt (BAZL)
hat
Sicherheitsempfehlungen aus dem heute veröffentlichten Unfallbericht
über den Absturz einer Crossair-Maschine im November 2001 bei Bassersdorf
umgesetzt.
Das Büros
für Flugunfalluntersuchung (BFU)
hatte rund ein halbes Jahr nach dem Absturz eines Crossair-Jumbolinos
bei Bassersdorf dem BAZL einen
Zwischenbericht unterbreitet. Das Amt prüfte die darin enthaltenen
acht Sicherheitsempfehlungen umgehend und setzte sie wo möglich
um. So wurden bei Swiss als Nachfolgegesellschaft von Crossair die Anflugverfahren
auf Pisten, die nicht mit Instrumentenlandesystemen ausgerüstet
sind, überprüft und angepasst. Überdies befürwortete
das BAZL den Einbau von weiterentwickelten Bodenannäherungswarnsystemen
(Terrain Avoidance and Warning Systems) in den Swiss-Flugzeugen noch
vor Inkraftreten des weltweiten Obligatoriums ab dem Jahr 2005.Bezüglich
des Anflugs auf die Piste 28 (Ost-Westpiste) des Flughafens Zürich
hatte das BAZL bereits kurz nach dem Unfall reagiert. Das Amt verlangte
einerseits die Übermittlung zusätzlicher Wetterdaten für
die Piste 28 in Bassersdorf an die Flugsicherung. Anderseits erhöhte
es die Mindestwerte auf 4000 Meter horizontale Sicht sowie 1200 Fuss
Wolkenuntergrenze über Grund. Zudem verfügte das BAZL bei
der Flugsicherung die Einrichtung eines Warnsystems für Fälle,
in denen ein Flugzeug unter die für einen sicheren Anflug definierte
Minimalhöhe absinkt (Minimum Safe Altitude Warning System).Mehrere
Sicherheitsempfehlungen drehten sich um menschliche Aspekte in der Arbeit
einer Cockpit-Besatzung. Diesen Empfehlungen – unter anderem Kriterien
für die Umschulung von Piloten auf andere Flugzeugtypen –
trägt das BAZL im Rahmen seiner intensivierten Aufsicht über
die Fluggesellschaft Swiss Rechnung. Dafür kommen Instrumente wie
Audits von Ausbildungsgängen und Qualitätssicherungssystemen,
Inspektionen sowie intensive Gespräche mit den für das Training
und die Sicherheit bei Swiss Verantwortlichen zum Einsatz. Diese Tätigkeiten
sollen in Zukunft noch intensiviert werden. Die Frage der dafür
notwendigen personellen Dotation des Amtes ist einer der Kernpunkte
des laufenden Reorganisationsprojektes Topas. Das als Folge des NLR-Berichts
lancierte Projekt verfolgt das Ziel, dem BAZL die optimalen Strukturen
und Mittel zu verschaffen, um die Aufsicht über sämtliche
Akteure in der schweizerischen Luftfahrt wahrnehmen zu können.
Bern, 3. Februar 2004 Bundesamt für ZivilluftfahrtInformation
Die Bundesanwaltschaft hat im Zusammenhang mit dem Absturz
einer Crossair-Maschine vor gut zwei Jahren am Zürcher Flughafen
ein Strafverfahren eröffnet. Es steht vor dem Hintergrund neuer
Fakten, die der BFU-Untersuchungsbericht liefert.
Das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren wegen «fahrlässiger
Tötung» oder «schwerer fahrlässiger Körperverletzung»
laufe vorderhand gegen Unbekannt, sagte Hansjürg Mark Wiedmer auf
Anfrage. Es gehe darum, mögliche strafrechtliche Verantwortungen
im Zusammenhang mit dem Unfall abzuklären, bei dem im November
2001 24 Menschen ums Leben kamen.
Die Bundesanwaltschaft habe den veröffentlichten BFU-Bericht sorgfältig
geprüft. Die beiden Piloten als direkte Verursacher des Absturzes
könnten zwar strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden, da sie
dabei ums Leben kamen, räumte Wiedmer ein. Es stelle sich jedoch
die Frage, ob auch ausserhalb des Flugzeuges fahrlässige Handlungen
begangen worden seien.
Der BFU-Bericht kritisiert unter anderem, dass die Crossair auf fliegerische
Defizite des Piloten, die während seiner Laufbahn wiederholt deutlich
wurden, nicht adäquat reagiert habe.
Und das Bundesasmt für Zivilluftfahrt (Bazl) habe seinerseits die
Fluggesellschaft Crossair nicht ausreichend kontrolliert. Die Swiss
als Nachfolgegesellschaft der Crossair gab im Zusammenhang mit dem Strafverfahren
ihre volle Kooperation mit den Behörden bekannt
Quelle: Internet